Wohlgemerkt: Diesen Beitrag schrieb ich bereits vor fast zehn Jahren, um meine Kollegen zum Nachdenken betreffs Internet anzuregen. Es reicht nicht, sich vor eine Klasse zu stellen und vor dem bösen Internet zu warnen. Man sollte auch selber ein bisschen Ahnung haben.

 

Als dann eine Kollegin als Zweitkorrektorin einer Kinderpflegeschülerin eine Prüfungsaufgabe als falsch korrigierte, versuchte ich auf diplomatische Art, dieses Medium Kollegen näherzubringen. Die Schülerin hatte agumentiert, dass ältere Kindergartenkinder an das Medium herangeführt werden sollten. Pro- und Contaargumente waren in Ordnung und ihr Fazit sachlich begründet. Also eigentlich eine gute Lösung, wenn nicht diese Kollegin ihre persönliche Meinung zensiert hätte und das auch noch im Kollegenkreis stolz verkündete und genauso begründete. 

 

 

Generation mit und ohne Maus (2013)

 

Ein gewaltiges Problem sind die Medien wie Handy oder Internet. Gerade Erzieher und Lehrer können oft nicht nachvollziehen, dass sich die Sozialisation der heutigen Generation nicht mehr so beeinflussen lässt, wie sie es in ihrer eigenen Jugend und in der Ausbildung erfahren haben. Generationskonflikte gab es schon immer, fehlendes Verständnis zwischen den Generationen, unterschiedliche Wertvorstellungen und auch Jugendsprache. Das ist alles nichts Neues. Und seit der Antike lief der Generationskonflikt nach dem gleichen Schema: Die "Alten" meckerten über die "Jugend", die "Jugend" provozierte, demonstrierte, widersetzte sich.

 

Durch die neuen Medien läuft Sozialisation aber anders.  Da gibt es die "Alten" mit ihrem Erziehungsauftrag. Und es gibt die Generation, die mit der Maus in der Hand geboren wurde. Ein Flashmob kann provozieren, vielleicht auch belustigen oder faszinieren. Aber im Grundsatz kann man darüber nicht streiten, denn der Flashmob ist bald vorbei. Die "Alten" können sich auch darüber aufregen, dass die "Jugend" keine Bücher liest. Liest die "Jugend" wirklich nicht? Irrtum - sie liest. Denn beim chatten muss man halt lesen können. Allerdings verändert sich die Schriftsprache im Chat erheblich. Die Sprache wird globaler, einheitlicher, was nicht unbedingt ein Nachteil sein muss. Gleichzeitig gehen aber Kompetenzen in der Muttersprache verloren. Die Mausgeneration braucht nicht unbedingt die Muttersprache im Internet, aber um mit der mauslosen Generation kommunizieren zu können.

 

Es stehen zwei Generationen gegenüber - eine ohne Maus, die andere mit Maus. Es treffen zwei Welten aufeinander. Die eine "real", die andere "virtuell"? Wieder ein Irrtum. Denn die "virtuelle" Generation ist real. Zwischen diesen Generationen, zwischen diesen zwei Welten auf einer Erde herrscht auf den ersten Blick Frieden. Denn man hat miteinander keine Streitpunkte. Man weiß nämlich nichts voneinander.

 

Eine Schülerin der Kinderpflege schrieb in einer Prüfung, dass kleine Kinder frühzeitig mit dem PC vertraut gemacht werden sollten, damit sie nicht ausgeschlossen werden, weil "sie sonst nicht mithalten können". Sie schrieb es so nicht, aber darauf lief es hinaus: Diese Kinder würden nicht gesellschaftsfähig werden. Die Prüferin von der mauslosen Generation tat ihre Argumentation als Unfug ab - von ihrem Gesichtspunkt aus ohne weiteres richtig. Dabei erkannte die Prüferin allerdings nicht, dass sie als Modell bereits schon lange ausgelaufen ist und einen Erziehungsauftrag nicht erfüllen kann, weil sie nicht mal im Ansatz verstand, worum es der Schülerin ging. Mit ihrem verklärten Blick auf ihre Vorstellungen von einer guten Kindheit in unberührter Natur, mit Gesellschaftsspielen und Förderung der motorischen und intellektuellen Fähigkeiten durch Bücher und Basteln benutzte sie die Notengebung, um ihre Ansichten einer adäquaten Sozialisation durchzudrücken. Das hat aber wenig mit Fachlichkeit oder Professionalität zu tun, sondern nur mit Machtmissbrauch. Was aber die Maus-Generation ziemlich kalt lässt. Können sie jemanden ernst nehmen, seine fachliche Autorität erkennen, wenn sie wissen, dass die Person deutliche Grenzen in der digitalen Welt hat? Solche Personen sind für die Maus-Generation einfach nur lächerlich.

 

Das Dilemma: veralterte Lehrer und Erzieher, die schon lange nicht mehr die Maus-Generation erreichen können und auf alten Lorbeeren ausruhen, keine Bereitschaft zeigen, sich mit den Massenmedien entsprechend vertraut zu machen, aber entscheidende Jobs besetzen.

 

Die Maus-Generation ist immun gegen Erziehung, Sozialisation? Ist sie nicht. Sie suchen nach Werten, suchen fieberhaft nach Erziehern, die Werte vermitteln können. Wenn sich so ein Mausloser ins Internet verirrt, aber vermittelt, er möchte an dieser Welt teilhaben, dann lacht sich die Maus-Generation über ihn kaputt und gleichzeitig bildet sich sofort eine Armee, die ihn umringt und schützt. Derjenige kann sich noch so blöd anstellen. Die Maus-Generation versucht alles, ihm zu helfen, in ihre Welt zu gelangen. Und sie lesen sehr genau, was der Mauslose zu sagen hat. Und sind dankbar, dass ein Mausloser bereit ist, ihnen etwas zu sagen.

 

Das ist eine neue Erfahrung im jahrhundertelangen Generationenkonflikt. Eine "Jugend", die den "Alten" alles verzeiht, eine "Jugend", die jeden "Alten" stürmisch begrüßt, der die Bereitschaft hat, in ihre Welt zu reisen. So eine dankbare und friedliche "Jugend" gab es wohl noch nie. Aber bis jetzt trug man ja auch die Generationenkonflikte nur in einer Welt aus. Und schickte nicht einfach eine Generation mutterseelenallein in eine neue unbekannte Welt. 

Wer seinen Erziehungsauftrag wirklich Ernst nimmt, macht sich mal mit der Maus vertraut und lässt die neue Generation in der neuen Welt nicht im Regen stehen. Dann klappt es auch wieder mit der Sozialisation.

 

„Digitale Gesellschaft“: 3. Studie „Die digitale Gesellschaft in Deutschland” 2009

Internetnutzung (% der Bevölkerung)

Digitale Außenseiter = 26 %
Durchschnittsalter 62,5 Jahre, überwiegend weiblich, eher geringe Bildung, kein Vorteil in der Nutzung der digitalen Medien, angstbesetzt

Gelegenheitsnutzer = 28 %
Durchschnittsalter 41,9 Jahre, 55 % davon Frauen, überwiegend einfache oder mittlere Bildung, gelegentliche Nutzung, wesentliche Basiskompetenzen zur Erleichterung des Alltags vorhanden, über 80 % dieser Nutzer beherrschen Suchkompetenz und Bewältigung von einfachen Textverarbeitungsaufgaben; Nachholbedarf bei komplexen Fähigkeiten.

Berufsnutzer = 7 %
Durchschnittsalter 42,2 Jahre, 52 % Männer, einfache oder mittlere Bildung, Arbeitsplatz bei digitaler Infrastruktur. 83 % verbringen mehr als zwei Stunden vor dem Bildschirm, Anwendungen durch Beruf wie E-Mail, Texterarbeitung und Recherchen im Internet.

Trendnutzer = 21 %
Durchschnittsalter 35,9 Jahre, 78 % Männer, mittlere Bildung, 13 % Schüleranteil, gute Ausstattung mit digitaler Technik; vielfältige Nutzung; mobile Internetnutzung 63 %.

Digitale Profis = 12 %
Durchschnittsalter 36,1 Jahre, 66 % Männer, hohe Bildung (40 % Hochschulabschluss), beste IT-Infrastruktur, hohe digitale Kompetenz und digitales Wissen, mobile Internetnutzung 65 %.

Digitale Avantgarde = 5 %
Durchschnittsalter 30,5 Jahre, 60 % Männer, hohe Bildung (40 % Hochschulabschluss), 9 % Schüleranteil, Großteil des Tagesablaufs wird vom Internet und Computer bestimmt; durchschnittlich neun Stunden im Internet, mobile Internetnutzung 65 %.
 

ARD/ZDF-Onlinestudie 2013:

77,2 % der Erwachsenen ab 14 Jahren in Deutschland sind online (2012: 75,9%)
Anstieg durch die „Silver Surfer“ (ab 50 Jahren):
50- bis 59jährige 82,7 % (2012: 76,7 %)
60- bis 69jährige 42,9 % (2012: 39 %)
über 70jährige: 30,4% (2012: 20,1 %)  


Nutzungsdauer: 2013
im Schnitt 169 Minuten am Tag online (2012: 133 Minuten)

5,3 internetfähige Geräte sind in einem durchschnittlichen Onlinehaushalt vorhanden.
19 % Tablet (2012: 8 %)
Mobile Endgeräte 41 % (2012: 23 %)
Internetfähige Fernseher 29 %, Internetnutzer über TV-Gerät 12 % (2012: 2 %)
Fernseh- und Videonutzer im Internet: 43 % (2012: 37 %), allerdings entfallen davon 76 % auf 14- bis 29jährige

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der letzte Teil der Videos wurde gelöscht.

 

 

 

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